Laut Studien der Techniker Krankenkasse fühlen sich heute zwei von drei Menschen gestresst! Im vorhergehenden Artikel hast Du erfahren, was sich hinter „Stress“ verbirgt und von einigen typischen Stresssymptomen erfahren. Jetzt geht es darum, Deinen eigenen Stressauslösern, den sogenannten „Stressoren“ auf den Grund zu gehen: Also, packen wir die Lupe aus und leisten ein wenig Detektivarbeit…
Geht los!
Stressoren
Grundsätzlich gilt: Jeder von uns hat seine eigenen Stressoren. Während der eine ganz gelassen bleibt, kann ein anderer die gleiche Situation als extrem belastend empfinden – und umgedreht. Um seinen persönlichen Stressoren auf den Grund zu gehen, muss jeder von uns also ganz genau hinschauen. Doch – von vorne.
Stress und Stressoren – was ist der Unterschied?
Die Biologie definiert die Begriffe „Stress“ und „Stressoren“ folgendermaßen:
Wenn ein Organismus inneren oder äußeren Reizen ausgesetzt ist, gerät er unter „Stress„. Diese mehr oder minder starken Reize, die auf einzelne Zellen oder den gesamten Organismus einwirken können, bezeichnet man als Stressoren.
Sie bringen den Organismus aus seinem Gleichgewicht (Homöostase), woraufhin er mit einer „Anpassungsreaktion“ reagieren muss.
Um den Stressor abwehren zu können, steigt kurzfristig die Widerstandskraft des Organismus an.
Kurzfristige Stressoren dienen also dem Aufbau von Resilienz und tragen zur Fortentwicklung des Organismus bei. Denn er wird gezwungen, Verteidigungsstrategien zu entwickeln. So gesehen sind Stressoren auch ein wichtiger Teil der Evolution.
Ist ein Organismus aber langfristig Stressoren ausgesetzt, führt das zu körperlichen Schäden und im schlimmsten Fall bis zum Tod (Beispiel aus der Biologie: eine Pflanze, die in einer langanhaltenden Dürre dem Stressor Trockenheit ausgesetzt ist).
Behalte diese Erklärung aus der Biologie schon mal im Hinterkopf. Sie kommt später noch einmal zur Sprache. Jetzt geht es erstmal um die Psychologie.
In der Psychologie versteht man unter Stressoren diejenigen Auslöser, die einen Menschen in Stress versetzen.
Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwei Arten:
- Stressoren, die von der Person selbst ausgehen (z.B. die eigenen Gedanken)
- Stressoren, die von außen auf die Person einwirken (z.B. Ereignisse, Situationen).
Soviel also schon mal zu einer Definition und groben Einteilung von Stressoren. Erkennst Du Dich dabei wieder? Fallen Dir Dinge ein, mit denen Du Dich selbst stresst? Oder nervt Dich das Außen durch zu viel Lärm, dichten Verkehr, etc? Gratulation. Damit hast Du schon mal die ersten Deiner Stressoren kennengelernt.
Doch schauen wir uns das Ganze etwas genauer an. Werfen wir einen Blick auf weitere Lebensbereiche und erkunden deren potenziell stressauslösenden Reize – damit Du möglichst viele Deiner persönlichen Stressoren identifizieren kannst.
Gehen wir also von außen immer weiter ins Detail…
Die moderne Lebenswelt bringt Stressoren mit sich: Die „VUCA“-Welt
„VUCA“ schon mal gehört? Damit meinen Experten unsere moderne, globalisierte Welt – die sogenannte „VUCA“-Welt.
- „V“ steht für ‘Volatility’, also Flüchtigkeit.
- „U“ steht für ‘Uncertainty’, also Unsicherheit.
- „C“ steht für ‘Complexity’, also die Komplexität.
- „A“ für ‘Ambiguity’, also die Mehrdeutigkeit.
Wir leben also in einer sich ständig verändernden, ungewissen, komplexen und nicht eindeutigen Welt. Schon das allein verursacht bei vielen Menschen einen erhöhten Stresslevel. Bringt die „VUCA“-Welt für Dich Stressoren mit sich? Falls ja, werde möglichst konkret.
Gehen wir einen weiteren Schritt ins Detail.
Was sind typische Stressoren?
Wie wir alle wissen, kann Stress in vielen Situationen entstehen: er kommt von uns selbst oder vor außen. Er wird durch unsere moderne Lebenswelt erzeugt – und auch durch ganz alltägliche Dinge: beispielsweise zu viel Druck im Job, eine chronische Krankheit, finanzielle Sorgen oder Beziehungsprobleme können uns enormen Stress bereiten.
Auch so kleine, banale Dinge wie etwa im Stau zu stehen oder in einer langen Schlange warten zu müssen, kann uns hin und wieder regelrecht auf die Palme bringen.
Um einen guten Überblick zu bekommen, gehen wir weiterhin systematisch vor.
Stressoren laut einer Meta-Stressstudie
In 2004 analysierten die beiden Psychologen Suzanne Segerstrom und Gregory Miller annährend 300 unabhängige Stressstudien auf Stressoren und deren Wirkung auf unser Immunsystem.
Sie fanden dabei Erstaunliches heraus, nämlich dass akuter, kurzzeitiger Stress wie ein Booster auf unser Immunsystem wirkt (siehe auch die biologische Definition von Stress oben, die Du Dir ja gemerkt hast ;-)). Langanhaltender Stress dagegen laugt unser Immunsystem aus und kann es sogar erschöpfen. Doch das nur nebenbei.
Für ihre Studie teilten die beiden Forscher Stressoren folgendermaßen ein:
- akut und begrenzt (z.B. wenn wir eine Präsentation halten müssen)
- kurzzeitig und natürlich (bei einer Prüfung, vorübergehenden Überstunden)
- lebensverändernd (der Verlust einer wichtigen Person, Naturkatastrophen)
- vergangene Stressoren (Misshandlung als Kind, Kriegsgefangenschaft)
- chronische Stressoren (langandauernde Krankheit, Pflege einer Person, dauerhafte Arbeitsüberlastung)
(Segerstrom & Miller, 2004).
Das sind einige weitere Beispiele für Stressoren. Auch in dieser Liste kannst Du Hinweise darauf finden, welche Stressorauslöser auf Dich zutreffen könnten. Notiere sie Dir am besten auf einer Liste Deiner eigenen Stressoren. Wie Du das am Besten machen kannst, erfährst Du weiter unten.
Doch sammeln wir zunächst weitere Beispiele für typische Stressoren, um Dir noch mehr Inspiration zu geben.
Die 10 häufigsten Stressoren laut aktueller Stressstudie
Die Techniker Krankenkasse ließ im Rahmen einer großangelegten Stressstudie 2021 eine Forsa-Umfrage unter bundesweit 1000 Menschen durchführen. Es war bereits die dritte ihrer Art. Über die Jahre zeigte sich: der Stress nimmt in Deutschland immer weiter zu.
Heute klagen bereits über 64% der Befragten über Stress. – doch die beiden Hauptstressoren blieben die gleichen.
Diese 10 Faktoren wurden laut der Studie am häufigsten als „Stressoren“ genannt:
- Arbeit, Schule und Studium (47% der Befragten)
- hohe Ansprüche an sich selbst (sagten 46%)
- Erkrankung von nahestehenden Personen (31% – auch Coronabedingt)
- Konflikte mit nahestehenden Personen (26%)
- ständige Erreichbarkeit (25%)
- zu viel Freizeitstress (24%)
- Verkehrsteilnahme (21%)
- Arbeitsbelastung im Haushalt (20%)
- Kinderbetreuung (19%)
- finanzielle Sorgen (16%)
Laut der Studie sind es also die Bedingungen im Job und die hohen Ansprüche, die wir an uns selbst stellen, die uns hauptsächlich in Stress versetzen. Beide Stressoren wurden bereits in der Umfrage aus dem Jahr 2015 als „Hauptstressoren“ genannt.
Sieht man noch etwas genauer hin, dann fühlen sich vor allem Männer durch die Arbeit gestresst (49%). Bei uns Frauen sind es dagegen die hohen Ansprüche, die wir an uns selbst stellen. Das sagten 55%! der befragten Frauen. Es könnte sich also auch in diesem Bereich durchaus lohnen, etwas genauer hinzuschauen.
Also – weiter die Lupe draufgehalten! Beginnen wir mit den Stressoren, die uns arbeitsbedingt belasten können.
Die Top-Stressoren im Job
Kommen wir also zum Stressor Nummer 1: der Arbeit. Laut der Studie sind es besonders diese Faktoren, die uns im Job in Stress versetzen:
- zu viel Arbeit
- Termindruck und Hetze
- Unterbrechungen und Störungen
- Informationsüberflutung
- schlechte Arbeitsplatzbedingungen
Findest Du unter diesen Faktoren auch einige, die auf Dich zutreffen? Dann hast Du die nächsten Deiner Stressoren entdeckt. Aber: Werden wir noch etwas präziser.
1. Arbeitsbedingte Stressoren
- Hohe Arbeitsbelastung: Zu viel Arbeit, Zeitdruck und Termindruck
- Schlechte äußere Arbeitsbedingungen: Lärm, Hitze, Kälte, schlechte Beleuchtung, veraltete Technik, umständliche Software, unergonomische Büroausstattung, ungesundes (Kantinen-)Essen
- Negative innere Arbeitsbedingungen: Fehlende Sinnhaftigkeit von Aufgaben; unklare Aufgabenstellung, Strukturen und Zuständigkeiten; zu wenig Autonomie
- Konflikte am Arbeitsplatz: Mobbing, Streitigkeiten mit Kollegen oder Vorgesetzten
- Mangelnde Anerkennung: Fehlende Wertschätzung der eigenen Arbeit
- Unsichere berufliche Situation: Angst vor Jobverlust, Beförderungsdruck
2. Private Stressoren
- Probleme in der Familie: Konflikte mit dem Partner, den Kindern oder anderen Familienangehörigen
- Finanzielle Probleme: Schulden, Arbeitslosigkeit
- Gesundheitliche Probleme: eigene oder chronische Krankheiten von Angehörigen und nahestehenden Personen
- Zeitmangel: Ständiger Zeitdruck und das Gefühl, nie genug Zeit zu haben
- Alleinerziehend sein: Die doppelte Belastung aus Beruf und Familie
3. Umweltbedingte Stressoren
- Lärm: Verkehrslärm, Baulärm, Fluglärm
- Umweltverschmutzung: Luftverschmutzung, Wasserverschmutzung
- Enge und Überbevölkerung: Leben in der Großstadt
- Gewalt und Kriminalität: Angst vor Überfällen oder Einbrüchen
- Naturkatastrophen: Hochwasser, Sturm, Erdbeben
4. Individuelle Stressoren
- Perfektionismus: Der ständige Anspruch, alles perfekt machen zu müssen
- Kontrollverlust: Das Gefühl, die Kontrolle über sein Leben zu verlieren
- Angst vor Versagen: Die Angst, nicht gut genug zu sein
- Nicht Nein-sagen-können: Angst vor Zurückweisung
- Negative Gedanken: Grübeln und Sorgen
- Mangelnde Selbstakzeptanz: Sich selbst nicht so zu akzeptieren, wie man ist
Das sind einige Beispiele für typische Stressoren im Alltag. Sie sollen Dir wie gesagt als Anregung dienen, um Deinen persönlichen Stressoren auf den Grund zu gehen. Ließ sie Dir einfach nochmal durch und schreibe Dir an Hand dieser Beispiele Deine eigene Liste Deiner Stressoren zusammen. Versuche dabei die stressauslösenden Situationen und Deine Reaktionen darauf möglichst genau zu benennen.
Deine Stressoren-Liste könnte zum Beispiel so aussehen:
Stressauslösende Situation | Körperliche Reaktion | Emotionen / Gedanken |
Autofahren im dichten Berufsverkehr, Stau | hoher Puls und Blutdruck, Schwitzen | Wut, Frust, Ärger, Angst, Hilflosigkeit, „Ich komme zu spät“, „Ich kann nichts an der Situation ändern“, „Ich bin ausgeliefert“, etc. |
Präsentation halten | Magenbeschwerden, leichte Übelkeit, Herzklopfen, Zittern, Versprecher, leise Stimme, Verspannungen | Angst zu Versagen, Angst vor negativer Bewertung durch Kollegen. „Ich schaffe das nicht!“, „Sie werden mich auslachen!“, „Ich bin nicht gut genug“, etc. |
Deine eigene Situation | Deine körperliche Reaktion | Deine Gefühle und Gedanken |
Führe diese Liste über einen längeren Zeitraum zum Beispiel von zwei Wochen. Dadurch kannst Du Muster erkennen und Deine Stressoren besser verstehen lernen – um im nächsten Schritt wirksam gegenzusteuern.
Wie, das erfährst Du in den kommenden Artikeln.
Und, um Dir noch einen weiteren Grund zu liefern, warum Du Dich mit Deinen Stressoren beschäftigen solltest: Unser Körper „merkt“ sich die stressauslösenden Situationen. Das tut er, um beim nächsten Mal noch schneller reagieren zu können. Wir brauchen also immer weniger Reize, um uns gestresst zu fühlen.
Was zu Zeiten des Sägelzahntigers mal eine smarte Idee war, ist heutzutage in den meisten Fällen – eher kontraproduktiv.
Fazit
Ein Reiz, egal ob von innen (eigene Gedanken), oder außen (das Umfeld) ist erstmal neutral. Ob man ihn als Stressor erlebt, ist individuell unterschiedlich. Doch hast Du Dich schon mal gefragt, warum das so ist?
Die Antwort ist: Wie wir einen Stressor wahrnehmen, hängt von unserer eigenen Bewertung ab.
Damit haben wir es selbst in der Hand, ob uns eine Situation oder ein Reiz weiterhin belastet! Mehr zu Stressauslösern und wirksamen Bewältigungsstrategien erfährst Du im nächsten Artikel!
Hier gehts´s weiter mit der Detektivarbeit: Die 4 Stressreaktionen: Wie reagierst Du auf Stress?
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Susanne
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