Dankbarkeit, das ist ein Gefühl von Freude, Glück und vielleicht sogar Ergriffenheit. Wir sind ganz gerührt, wenn uns jemand ein schönes Kompliment, oder ein tolles Geschenk macht. Es zeigt uns, dass jemand an uns denkt, sich in uns einfühlen kann und uns obendrein eine Freude machen wollte. Es zeigt uns die Anerkennung, den Respekt, die Liebe, die jemand für uns empfindet – das berührt uns – und dafür sind wir – dankbar.
Was ist Dankbarkeit?
Ist Dankbarkeit ein Gefühl? Weil wir etwas bekommen haben, über das wir uns freuen? Oder ist Dankbarkeit eine reine Höflichkeitsbekundung? Danke, für das Mitbringsel, Danke für ihre Anteilnahme, Danke für die Geschenke zur Hochzeit… ? Oder ist Dankbarkeit eine Lebenseinstellung, bei der wir dankbar auf unser Leben und unsere Umwelt blicken?
Die Dankbarkeit wird gerade wieder neu entdeckt – als einer der Wege zu Glück, Gesundheit und Zufriedenheit. Seit jeher gilt Dankbarkeit als eine der Haupttugenden und das sowohl in der Gesellschaft, als auch in den Religionen. Doch einen guten Ruf geniest die Dankbarkeit – eher nicht.
Dankbarkeit ist die Mutter aller Tugenden
– Cicero
Warum ist das Thema Dankbarkeit teilweise so negativ besetzt?
Schon in der Kindheit hat man versucht uns beizubringen dankbar zu sein. Meist mit mäßigem Erfolg. Immer brav „Danke“ sagen, das war das Credo. Bedanke Dich bei Oma und Opa für das Geburtstagsgeschenk, dem Nachbarn für die Gefälligkeit und der Wurstverkäuferin für das Wiener Würstel. Die Liste lie?e sich endlos fortsetzen. Dass uns aber im Zweifelsfall weder das Geburtstagsgeschenk, noch das Wiener Würstel, gefallen oder geschmeckt hat – war zweitrangig. Egal, ob wir die „Gaben“ mochten, oder nicht: Dankbar zu sein wurde nicht nur erwartet, sie wurde sogar eingefordert: „Und? Wie sagt man da?“
Meine Vermutung ist es ja, dass dieses „frühe Trauma“ dem Ruf, den Dankbarkeit geniest, maßgeblich geschadet hat, teilweise bis ins Erwachsenenalter. Klar, warum soll man sich auch für etwas bedanken, über das man sich gar nicht freut?
Der moralische Druck, dankbar sein zu müssen, hat in erster Linie Wut, Scham, Trotz und Schuldgefühle ausgelöst. Wenn wir uns nicht dankbar gezeigt haben, wurden uns Strafen angedroht. Dankbarkeit war für viele von uns eher eine lästige Pflicht, denn ein Segen. Vielleicht ist sie deswegen bei vielen bis heute negativ besetzt. Und jetzt soll es der Weg zum Glück sein?
Bis ins Erwachsenenalter bekommen wir von Menschen gesagt, was sie alles für uns getan haben, wie sehr sie zurückstecken und sich aufopfern… . Bei den Empfängern führt das nur zu einem – Frust! Vielmehr herrscht wieder mal Wut, Scham, Trotz – und vielleicht auch Schuld. Von Dankbarkeit jedenfalls – keine Spur. Egal ob wir Sender, oder Empfänger dieser Botschaften sind – zu mehr Dankbarkeit werden sie uns jedenfalls nicht veranlassen. Dabei wäre die freiwillige Dankbarkeit – so hilfreich und heilsam für uns!
Wie funktioniert Dankbarkeit?
Dankbarkeit geht immer mit 3 Elementen einher.
1. Das Geschenk: Wir erhalten etwas. Das kann etwas Materielles sein, muss es aber nicht. Auch ein Lächeln kann man zum Beispiel verschenken :-).
2. Der Geber: jemand, von dem das Geschenk kommt. Das kann ein Mensch sein, aber auch eine kosmische Macht, o.ä.
3. Der Empfänger: jemand, der das Geschenk annimmt und es als etwas Positives empfindet, über das er sich freut und – dem Geber dafür dankbar ist.
Und nicht selten passiert es dann, dass wir uns in irgendeiner Form dafür revanchieren. Es ist ein Geben und Nehmen, meist gemessen an dem, was wir bekommen haben. Doch ist das Dankbarkeit? Oder nur ein Tauschgeschäft?
Dankbarkeit aus der Sicht der Positiven Psychologie
Und genau da kommt die Positive Psychologie ins Spiel. Dieser relativ neue Wissenschaftszweig beschäftigt sich mit dem „gelingenden Leben“ – und wie wir es erreichen können. Statt sich, wie die Psychologie, um die Erforschung und Heilung von psychischen Krankheiten zu kümmern, geht die Positive Psychologie genau den anderen Weg und will herausfinden, wie wir glücklich werden können.
Dazu versucht sie zu erforschen, wie wir unsere positiven Seiten stärken und vermehrt einsetzen können. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass es uns gelingen kann, glücklicher zu sein, wenn wir unseren Fokus vermehrt auf die positiven Seiten ausrichten. Und Dankbarkeit zu empfinden für all das Schöne und Gute, das uns umgibt und das wir täglich erleben, ist einer der Wege dahin.
Das muss auch nichts Großes sein. Ganz im Gegenteil: Freude und Dankbarkeit für die kleinen Dinge zu entwickeln, die schönen Augenblicke zu sehen und die guten Umstände, die jeder Tag mit sich bringt, – das ist es, was wir wieder lernen sollten, so die Positive Psychologie.
Welche Voraussetzungen gibt es, um dankbar zu sein?
Die Voraussetzung von Dankbarkeit ist es, das Gute und Schöne erstmal wahrzunehmen. Das bedeutet auch, dass wir Positives wertschätzen können und gelernt haben, dafür dankbar zu sein.
Dankbarkeit heißt, das Leben zu bejahen, nach dem Motto: „Das Leben ist schön und hält viel Gutes für mich bereit“. Und: all das wird mir geschenkt. Ich muss nichts dafür tun und habe es auch nicht verursacht. Das Gute, das mir widerfährt, ist ein Geschenk – an das keine Bedingungen geknüpft sind und ich bin der Empfänger.
Dankbarkeit als Glücksfaktor
Die Positive Psychologie jedenfalls hat Dankbarkeit als Faktor Nummer 1 identifiziert – auf dem Weg zu mehr Glück und Zufriedenheit im Leben – und das auch wissenschaftlich belegt. Doch mit der althergebrachten Formel für alles dankbar sein zu müssen – hat das nichts zu tun. Im Gegenteil: das wirkt sogar eher kontraproduktiv. Haben wir´s doch gewusst!
Was kann Dankbarkeit Positives bewirken?
Die Dankbarkeit soll uns gesünder, erfolgreicher und nicht zuletzt glücklicher machen.
Forschungsergebnisse zeigen: dankbare Menschen fühlen sich wohler und sind glücklicher. Sie sind auch zufriedener mit ihrem Leben, optimistischer und hilfsbereiter, als andere. Doch nicht nur das, wer dankbar sein kann, also wertschätzt, wie viel Gutes ihr oder ihm jeden Tag widerfährt, produziert auch mehr Serotonin und Dopamin, beides Hormone, die auch Glückshormone genannt werden. Diese beiden Hormone wirken sich sowohl auf unsere körperliche, wie auch unsere geistige Gesundheit aus:
- geringere Entzündungswerte im Körper
- besserer Schlaf
- gesundes Herzkreislaufsystem
- höheres Selbstvertrauen
- höheres Selbstwertgefühl
Gründe genug, ein wenig dankbarer zu sein, – könnte man meinen.
Können wir Dankbarkeit lernen?
Mit sogenannten „Interventionen“, also Übungen aus der Positiven Psychologie ist es laut wissenschaftlicher Untersuchungen möglich, dankbarer zu werden. Es geht darum, innezuhalten und die Aufmerksamkeit ganz bewusst darauf zu lenken, was einen in dem Moment umgibt – und ganz gezielt nach dem Guten und Schönen zu suchen – und das zu genießen.
Dankbarkeit ist der Wein der Seele. Werdet betrunken!
– Rumi
Beispielsweise wie hier, beim Pleasure Walk. Es geht darum, wieder bewusster wahrzunehmen, was wir gerade tun, hören und sehen, was wir im Moment fühlen und spüren. Besonders die kleinen, und eher unscheinbaren Dinge. Es geht darum, wieder mit allen Sinnen genießen zu lernen und ganz im Moment anzukommen – auch in Alltagssituationen, wie beispielsweise – beim Essen: Achtsam essen: Gewicht verlieren und dabei Genuss gewinnen. Und diese Momente wertzuschätzen, ihn als Geschenk zu betrachten – und dankbar dafür zu sein.
Wenn Dich das Thema interessiert, hier gibt es mehr davon: Achtsamkeit.
Und auch noch einige Übungen für die Praxis, um achtsamer zu werden:
- Die Rosinenübung
- Die Rede zu Deinem 100sten Geburtstag
- Visualisierungsübung: Dein bestmögliches Ich
- Achtsamkeitsübung: Die Macht der guten Gefühle
Eine weitere sehr hilfreiche Übung ist es, sich öfter mal die Frage zu stellen: wofür bin ich heute dankbar? Und 3 Antworten darauf zu finden. Diese Übung ist umso effektiver, wenn Du sie schriftlich machst, zum Beispiel in Form eines Dankbarkeitstagebuchs: Wie uns ein Dankbarkeitstagebuch zum Glück verhelfen kann. Du notierst einfach, welche Erlebnisse Du den ganzen Tag über hattest, die für Dich besonders schön und positiv waren – und für die Du dankbar sein kannst.
Letztlich geht es darum, dass wir uns bewusst darüber werden, wie viel Gutes wir Tag für Tag – und das ein ganzes Leben lang – erfahren. Das Ziel ist es langfristig einen positiven Blick auf das Leben zu entwickeln, denn wir neigen allzu oft dazu, uns an negative Erlebnisse und Gefühle zu erinnern – und die guten hinten runterfallen zu lassen.
Doch – egal in welche Richtung wir denken und die Welt wahrnehmen. Es wird eine Spirale in Gang setzen. Ob sie aufwärts oder abwärts geht, entscheiden wir, durch unseren Fokus. Mehr dazu gibt es auch hier: Warum positive Emotionen so wichtig sind.
Wir erinnern uns allzu oft an Dinge, die wir nicht haben, die schwierig sind, die wir nicht geschafft haben, oder die uns misslungen sind. Die Habenseite des Lebens – nehmen wir aber bisweilen gar nicht wahr. Das Gute im Leben empfinden wir oft als selbstverständlich. Ist das gerecht?
Übungen, um Dankbarkeit zu trainieren
Übungen zur Dankbarkeit können unseren Blick wieder „gerade“ rücken – weg vom Negativen – hin zum Positiven. Wenn Du regelmäßig diese Übungen machst, wirst Du Deinen „Dankbarkeitsmuskel“ trainieren – bis Dir diese Sichtweise zur Lebenseinstellung geworden ist.
Meist tritt dieser Effekt bereits nach vier bis fünf Wochen regelmäßigen Trainings ein. Untersuchungen zeigen: Sorgen und Grübeleien lassen nach, wir sind gelassener, glücklicher – und sogar gesünder und – zufriedener mit uns und unserem Leben. Und das sogar nachhaltig. Der Effekt hält bis zu 6 Monate an. Also: ausprobieren.
Aber, um nochmal um das Eingangs erwähnte Thema aus der Kindheit zurückzukommen: Wenn Dankbarkeit zur Pflichtübung wird – stellen sich all die positiven Auswirkungen nicht ein. Nur, wenn Du wirklich fühlst, dass Du etwas schön und positiv fandest und Du dafür vom Innersten heraus dankbar bist – gelingt die Übung. Also: besser ist es vielleicht, Du nimmst Dir einmalig Zeit und schreibst alles auf, was Dir in den Sinn kommt, als eine tägliche „Wofür muss ich heute dankbar sein – Liste“ zu führen. Die kannst Du Dir dann auch sparen.
Kann Dankbarkeit auch negative Folgen haben?
Es gibt Zeiten der Trauer, der Enttäuschung und der Wut. Diesen Gefühlen sollten wir Raum geben und sie auch ausdrücken. Dankbarkeit hat da keinen Platz. Auch sollte uns Dankbarkeit nicht dazu veranlassen, alles nur noch hinzunehmen, was uns im Leben passiert.
Wenn Dankbarkeit zu einer Pflichtübung wird, verfehlt sie ebenfalls ihr Ziel. Wenn sie eingefordert wird, oder bei Nichterfüllung sogar mit Strafen gedroht wird, also eine Dankespflicht oder sogar Dankesschuld herrscht, wird Dank nur eins: als Druckmittel missbraucht. Dankbarkeit funktioniert nur auf freiwilliger Basis – und dann ist sie extrem heilsam – für uns alle.
Wenn wir freiwillig anerkennen, dass wir anderen Menschen oder auch Mächten vieles zu verdanken haben, von dem, was uns widerfährt, dann ist das ein wichtiger Schritt in Richtung Dankbarkeit – und Lebenszufriedenheit. Wer lernt, seinen Blick auf die kleinen und auch großen Geschenke, die uns das Leben jeden Tag macht, zu richten, ist gelassener, glücklicher und gesünder.
Dankbarkeit steigert unser Wohlbefinden – und unser Glück!
Wer einmal den Fokus auf das Positive im Leben ausgerichtet hat, wird immer mehr an schönen Momenten und Erfahrungen sammeln, denn dann ist die Positivspirale aufwärts – voll in Gang gesetzt.
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Weitere wichtige Infos zum Thema:
- Wohlbefinden – was ist das eigentlich und wie können wir es steigern?
- Wie uns ein Dankbarkeitstagebuch zum Glück verhelfen kann
- Komplimente machen – glücklich!
- 100+ tolle Komplimente – die ultimative Komplimenteliste
- Flow – oder das Geheimnis des Glücks
- Ein Hobby kann unser größter Glückshelfer sein
- Ikigai -So findest Du Dein Glück und Deinen Lebenssinn
Quelle:
- Cunha LF, Pellanda LC, Reppold CT. Positive psychology and gratitude interventions: a randomized clinical trial. Front Psychol. 2019;10:584. doi:10.3389/fpsyg.2019.00584
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